Im Juni 1994 hatten wir Gelegenheit, drei Wochen lang einige Regionen
Alaskas (USA) , des Yukon-Territoriums (Kanada) und des Küstengebirges
der Provinz British Columbias (Kanada) kennenzulernen. Mein Reisebegleiter
Rainer Bauch plante nach seiner Bergexpedition zum Mt. McKinley genügend
Zeit für eine anschließende Tour durch den Nordwesten Amerikas
ein. Ich besaß noch ein Flugticket für Alaska, weil ich ursprünglich
an der Bergfahrt zum McKinley teilnehmen wollte, aber dann gesundheitlich
verhindert war.
Flächenmäßig ist Alaska 4 mal, die Provinz Yukon 1,5
mal und British Columbia 3 mal so groß wie Deutschland. Man kann
sich vorstellen, welchen Anteil man von diesen riesigen Gebieten in drei
Wochen zu Gesicht bekommen kann. Aber es gelang uns doch, ziemlich viel
zu sehen und zu erleben. Mit Flugzeug, Eisenbahn, Auto, Schiff und zu Fuß
waren wir vom nördlichsten Punkt der Reise, der Stadt Fairbanks nahe
am Polarkreis, bis nach Seattle im Staat Washington (gleicher Breitengrad
wie Budapest) unterwegs. Wir trafen uns in Anchorage. Rainer war von der
Besteigung des Mt. McKinley oder Denali (so der ursprüngliche Name
des höchsten Berges Nordamerikas) zurück und wartete auf mich
am Flughafen. Ich kam mit dem Flugzeug von Zürich, über Cincinnati
und Salt Lake City. Einen Tag hielten wir uns dann in Anchorage auf, der
immerhin größten und bedeutendsten Stadt Alaskas.
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Die erste
Etappe unserer Reise war eine Bahnfahrt mit der Alaska Railroad nach Fairbanks
im Norden. 12 Stunden rollte der Panoramazug (ähnlich wie der Bernina
Express) durch die phantastischsten Landschaften der Taiga mit den dunklen
schwarzen Fichten, am Ufer des Susitna- und Nenana Rivers entlang und als
Höhepunkt vorbei am Denali Nationalpark mit Blick auf den 6.194 m
hohen Mt. McKinley. In Fairbanks genossen wir die lange Tageszeit, denn
dort schien auch noch mitternachts die Sonne. Von dieser Stadt aus fuhren
wir zunächst mehrere Tage mit dem Auto auf dem berühmten Alaska
Highway in südöstlicher Richtung bis nach Kanada (Yukon). Die
Straße wurde 1942, während der Besatzung der Aleuten durch die
Japaner im Zweiten Weltkrieg, in nur 8 Monaten als militärische Versorgungsstraße
gebaut - eine enorme straßenbauliche Leistung. Der Highway ist über
2.400 km lang und verläuft von Fairbanks im Norden bis Dawson Creek
im Süden. Wir folgten der Strecke bis Whitehorse in Kanada. Anfänglich
begleiteten uns am Horizont die über 3.000 m hohen Berge der Alaska
Range. Später, nach Überquerung der kanadischen Grenze bei Beaver
Creek, näherten wir uns dem am St. Elias Gebirge gelegenen Kluane
Nationalpark. Als Zeltplätze ließen sich zumeist Stellen an
Seeufern finden.
Schließlich trafen wir in Whitehorse, der Hauptstadt
des Yukon-Territoriums, ein. Die Stadt hat nur so viele Einwohner wie Schmölln,
aber eine Ausdehnung von über 15 km. In dieser relativ modernen Stadt
mit Banken und Verwaltungsgebäuden gab es noch Zeugnisse der legendären
Zeit des Goldrauschs, der um die Jahrhundertwende Tausende Goldgräber
und Abenteurer nach Alaska und Kanada zog. Mit dem Schaufelraddampfer "Klondike",
den wir dort besichtigten, fuhr auch Jack London einst bis nach Dawson.
Einen landschaftlichen Höhepunkt bot die Straße nach Skagway
über den White Pass. Parallel dazu (und ab und zu den Highway kreuzend)
verläuft übrigens eine atemberaubend angelegte Bahnstrecke. Diese
wurde zur Jahrhundertwende gebaut, um seinerzeit die vielen Goldgräber
schneller und sicherer nach dem zentral gelegenen Whitehorse befördern
zu können. Der Landschaftsteil zwischen Whitehorse und Skagway bot
wieder alles, was man sich von Kanada und Alaska nur wünschen kann:
Wasserfälle, schneebedeckte 3.000er, Felsengebiete, ausgedehnte Seen,
weitreichende Wälder und kaum Menschen; hier und da nur ein riesiger
Caravanbus eines amerikanischen Rentnerehepaars. Nach dem Passieren der
Grenzübergangsstelle Frazier trafen wir zum zweiten Male in den USA,
und zwar in Südalaska, das auch als Pfannenstiel des nördlichsten
Bundesstaates bezeichnet wird, ein. Kurz darauf erreichten wir Skagway,
eine kleine Stadt von etwa 700 Einwohnern. Sie ist von Küstenbergen
umgeben und liegt im Fjord Lynn Canal, der sowohl in den Pazifik als auch
in die weit verzweigte Inselwelt führt. Der Baustil der Häuser,
Saloons und Läden erinnerte wiederum an das Fluidum der Westernzeit
und an die Zeit des Goldrushs der Jahrhundertwende. Nördlich schließt
sich eine 80 km lange und 15 km breite Gletscherbucht mit über 20
Gletschern an, die man nur mit dem Schiff oder dem Flugzeug erreichen kann.
Ich leistete mir den Luxus eines Rundfluges und konnte in etwa 2 Stunden
bei selten gutem Wetter dieses beieindruckende Eisszenarium genießen.
Die Gletscher brechen zumeist in Buchten oder direkt im Ozean ab und bieten
für uns Europäer ein ungewohntes Bild. Mittendrin, nur 8 km vom
Pazifik entfernt, war der höchster Berg British Columbias, der 4.663
m hohe Mt. Fairweather, zu bestaunen.
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Um von Skagway nach Juneau, der Hauptstadt
Alaskas zu gelangen, fuhren wir mit dem Fährschiff der "Alaska
Marine Highway" einen Tag lang durch eine Welt von Inseln, Küstenbergen
und Gletscherausläufern. Einmal konnten wir sogar kurzzeitig Wasserfontänen
von einer Gruppe von Walen beobachten. Die Stadt Juneau selbst beeindruckte
uns trotz der verkehrsmäßigen Abgeschnittenheit (keine Straßen-
verbindung zum Inland) durch seine rege Betriebsamkeit. Ständig legten
mehrstöckige Passagierschiffe im Hafen an. Hochhäuser belegen
zudem den administrativen Status der Hauptstadt, riesige Jachthäfen
hingegen wiesen auf den nicht geringen Wohlstand der Einwohner hin. Von
hier aus unternahmen Rainer und ich endlich wieder eine kleine Bergtour
auf den ganz nahe gelegenen, 3.576 feet hohen Mt. Juneau. Der Aufstieg
begann fast in Meereshöhe und kostete einige Anstrengung, weil uns
streckenweise der Weg verloren ging und wir schlammige Passagen, aber auch
abschüssige Geländeabschnitte zu überwinden hatten. Der
Ausblick vom mit Altschnee bedeckten Gipfel war aber beeindruckend. Man
hatte eine tolle Sicht sowohl auf Juneau, als auch auf weite Teile der
Küste im Norden und des Gastineau Kanals, durch den die Schiffe und
Fähren ihre Fahrt durch die Inside-Passage nach Ketchican und Wrangel
fortsetzen.
Den zweiten Teil der Reise verbrachten wir nördlich der Stadt Vancouver,
im südlichen Teil Britsh Columbias. Doch ebenso hielten wir uns einige
Tage in den beeindruckenden Millionenstädten Vancouver (BC) und später
in Seattle im Bundesstaat Washington (USA) auf. Diese Städte, zwischen
Meeresbuchten und Bergen eingebettet, besitzen eine landschaftlich traumhafte
Umgebnung. Ein besonderes Bergerlebnis war nochmals eine eintägige
Wanderung hinauf zu dem einsamen, 1.570 m hoch gelegenen Bergsee Garibaldi
im "Garibaldi Provinzial Park", der sich einige Kilometer nördlich
der Stadt Squamish befindet. Der See war mit Schnee bedeckten Bergen umgeben
und leuchtete im tiefblauen Kontrast dazu. Beim Aufstieg zum Garibaldi
Lake trafen wir ab etwa 1.400 m Höhe auf Altschnee. Der Trail führte
uns durch bärengefährdetes Gebiet. Ein Informationsstand mit
Faltblättern gab uns Hinweise, wie man sich bei der Begegnung mit
diesen Tieren zu verhalten hat. Erfreulicherweise ist uns dort kein Bär
begegnet. Doch am gleichen Abend konnten wir am Rand der Ortschaft Whistler
zwei Schwarzbären aus nächster Nähe bei der Nahrungssuche
in den dortigen Mülltonnen beobachten. Von Bergen waren wir auf der
ganzen Reise permanent umgeben. Selbst am Rückflugstag konnten wir
von Seattle aus noch einmal einen Blick auf den 4.392 m hohen und alleinstehenden
Mt. Rainier werfen. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß
die von uns bereiste Bergwelt Alaskas und des Küstengebirges deshalb
so beeindruckend war, weil sie sich weitestgehend noch im ursprünglichen
Zustand befindet und aufgrund der geringen Bevölkerungsdichte sowie
entsprechender Maßnahmen der zuständigen Naturschutz-Behörden
vom Eingriff des Menschen bisher verschont blieb. Diese Regionen bilden
daher einen wohltuenden Kontrast zu den uns bekannten, voll erschlossenen
und besiedelten Alpenraum.
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