Es wird ernst
Über 1.500 Kilometer liegen bereits hinter mir, als ich kurz hinter Tok den legendären Alaska Highway
verlasse. Die Strecke ändert sich, der komfortable Teerbelag weicht einer üblen Schotterpiste mit vielen
Querrinnen. Noch 1.100 Kilometer habe ich darauf zurückzulegen, bevor ich von der Eskimosiedlung Inuvik
am Polarmeer wieder wieder zurück in die Zivilisation fliegen würde.
Ein bärtiger Einheimischer gibt mir den Rat, soviel Lebensmittel wie möglich mitzunehmen. Unterwegs gäbe es
nicht mehr viele Möglichkeiten und alles wäre erheblich teurer.
Die ersten 35 Kilometer der Piste wurden gerade erneuert. Wie man am Straßenrand erkennt, hat man gerade
30 cm hoch groben Schotter aufgeschüttet und mit dem schweren Rad schlingernd komme ich kaum vom
Fleck.
Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus
40 km hinter Dawson City beginnt das große Abenteuer, der Dempster Highway. Erst Ende der 70er Jahre
gebaut und für Mietfahrzeuge verboten, ist er die einzige Straße Kanadas, die den Polarkreis erreicht und er ist
eine Sackgasse ans Ende der bewohnten Welt.
Als ich gegen 20 Uhr Dawson verlasse, habe ich Verpflegung für 800 km bei mir. Außer dem Roadhouse an
der Abzweigung zum Dempster und einer Tankstelle bei Eagle Plains auf etwa halber Strecke gibt es nichts
mehr. Über die Indianerorte Tetlih Zheh (Fort McPherson) und Tsii Geht Tchic (Arctic Red River), die nach
etwa 650 km nahe der Straße liegen, konnte ich zuvor keine zuverlässigen Informationen bekommen, was die
Verfügbarkeit und Öffnungszeiten eines Ladens angingen.
Begegnung unterwegs
Irgendwo vor Eagle Plains überholt mich ein Motorrad. Über hundert Meter weiter hält der Fahrer plötzlich an
und wartet auf mich. Wie viele andere fragt er, ob alles in Ordnung sei und meint, er habe mich zwar
gesehen, aber gar nicht so recht realisiert, daß ich mit dem Fahrrad unterwegs bin.
Es ist eine von nur zwei Begegnungen mit einem Zweirad auf über 1.000 Kilometern. Die zweite Begegnung
habe ich zwei Tage später erneut mit ihm, als er bereits auf dem Rückweg ist.
Die freundlichsten Tiere ...
...Alaskas und Nordkanadas sind die Moskitos. Sie empfangen einen jeden Reisenden bereits am Flughafen und begleiten ihn während seiner gesamten Reise. Und
je weiter man nach Norden kommt, desto schlimmer wird es. Nach dem ersten Tag auf dem Dempster hatte ich Stiche an meinem Körper zählen wollen. Bei 32
hatte ich aufgegeben - 32 alleine am linken Fußgelenk. Die Moskitos sind einfach überall und es ist oft unmöglich, das Moskitonetz überzustreifen, ohne das einige
der Blutsauger auf der Innenseite sind. Das ständige Gesumme nervt, sobald man stehenbleibt oder die Geschwindigkeit unterhalb von etwa 8 km/h liegt (was oft
passiert, denn der Durchschnitt auf der Piste liegt so bei 10-12 km/h). Und zu allem Überfluß stechen die Viecher durch die Klamotten ...
Die Déné-G'wichin
Die Déné-G'wichin sind die einzigen Indianer Nordamerikas, die nicht im Laufe der Zeit ihr Land an die weißen
Siedler verloren. Weit nördlicher als die Han-G'wichin bei Dawson City leben sie allerdings in den
subarktischen Gebieten nördlich des Polarkreises, was zu unseren Klischeevorstellungen von Indianern nicht so
recht passen will.
Jim, einen Déné, treffe ich zufällig an einem See, wo er die Vorbereitungen zu einem Indianermusikfestival trifft,
zu dem Indianer aus der ganzen Region anreisen. Er zeigt mir das Lager, bietet mir zu essen und zu trinken an
und ich unterhalte mich einige Stunden mit ihm, während ich ihm helfe, das Dach einer Hütte auszubessern.
Er fragt mich überrascht, ob ich keine Waffe dabeihätte, schließlich gäbe es in der Region sehr viele Bären.
Entgegen anderer Einheimischer, die sich einen Spaß daraus machen, Touristen zu erschrecken, erzählt er keine
der üblichen Schauermärchen. Allerdings liegt immer ein Gewehr in Reichweite ...
Im MacKenzie-Delta
Irgendwo im MacKenzie-Delta in der Nähe von Inuvik lebt Lucie alleine in einer Blockkütte in der Wildnis und
versorgt sich weitgehend selbst. Ab und zu ist eines ihrer Kinder zu Besuch. Wer sie ist, woher sie kommt
bleibt ihr Geheimnis.
In Tuktoyaktuk
Tuktoyaktuk liegt direkt am Meer und hat sogar einen 'Badestrand'. Ich kämpfe mich durch das angehäufte
Treibholz, um eine Woche nach dem Auftauen ein erfrischendes Bad im Polarmeer zu nehmen.
Hier jagen einige der Bewohner noch Belugawale, Karibus und ab und zu wohl auch einen Eisbären oder
Moschusochsen. Im Winter ziehen manche noch mit Hundeschlitten umher - allerdings eher zum Vergnügen,
denn wenns drauf an kommt, nimmt man inzwischen natürlich Schneemobile.
Hier erklärt mir eine Einwohnerin gerade den Umgang und den Aufbau eines Transportschlittens.
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