Mittwoch, 13.09.2000
Gegen 9.00 Uhr treffen wir mit dem Zug am Düsseldorfer Flughafen ein. Wir haben gestern Abend schon unsere Koffer im Late-Night-Check-in
aufgegeben, so daß wir heute nur noch mit dem Handgepäck anreisen müssen. Im Warteraum passiert dann das, was wir auf unseren Flügen
bisher eigentlich ganz selten erlebt haben, nämlich, daß das mitgeführte Handgepäck gewogen wird. Die Mitarbeiterin der LTU pickt sich
zielsicher hauptsächlich diejenigen heraus, die einen Trolly mit sich führen oder bei denen das Gepäckstück schon von weitem so aussieht, daß
es die Gewichtsgrenze von 8 kg überschreitet. Wir sind dann bei den Ausnahmen, deren Handgepäck nicht kontrolliert wird. Um 10.25 Uhr hebt
die Boeing 767-300 endlich vom Düsseldorfer Flughafen ab. Zu unserem allergrößten Erstaunen ist die Maschine noch nicht einmal halb
besetzt! Lediglich 60 Passagiere fliegen nach Anchorage. Werden wir dann in Alaska überhaupt noch auf Touristen treffen? Auf welches
Abenteuer haben wir uns denn diesmal eingelassen? Und warum hat man uns bei unserer Buchung geraten, gleich einen Sitzplatz zu
reservieren? Wir können doch jetzt bequem jeder eine ganze Reihe belegen! Fragen über Fragen. Die Stewardess erzählt uns dann (soviel Zeit
für ein Gespräch mit den Passagieren haben sie wahrscheinlich noch nie gehabt), daß heute nur 60 Passagiere mitfliegen, es aber auf unserem
Rückflug mit Sicherheit voller werden wird, da es ja der letzte Rückflug der LTU für dieses Jahr ist. Der letzte Rückflug ist auch der Grund dafür,
daß die heutige Besatzung eine komplette Woche in Alaska bleiben wird. Auf diese Art und Weise werden sie endlich auch einmal in den
Genuß kommen, sich das Land etwas näher anzusehen.
Die Flugzeit soll 8 Stunden 50 Minuten betragen und wird über England, Schottland, Shettland-Inseln, Island, Nordgrönland nach Alaska gehen.
Wir haben keine Sicht wegen dicker Bewölkung, die uns auch noch längere Zeit begleiten wird. Gegen 13 Uhr wird uns dann das Mittagessen
serviert und damit die aufgekommene Langeweile ein wenig unterbrochen. Über Bordlautsprecher meldet sich der Kapitän und teilt den
Passagieren mit, welches Wetter uns in Anchorage erwarten wird: leichtes Schauerwetter und 12 Grad;. Das sind ja auch keine allzu rosigen
Aussichten. Als wir Island erreichen, haben wir immer noch nicht die geringste Chance, einen Blick auf dieses Land zu werfen. Erst über
Nordgrönland wird es dann auf einmal sonnig, und wir bewundern Berge, Eis und Schnee aus der Vogelperspektive. Gegen 17 Uhr überfliegen
wir Nordkanada und landen um 9.40 Uhr Alaska-Time wohlbehalten in Anchorage. Die Einreise- und Zollformalitäten lassen wir schnell und
problemlos hinter uns. Die Gepäckausgabe geht aufgrund der wenigen Passagiere auch zügig vonstatten. Dann kaufen wir uns noch eine
Telefonkarte für 10 Dollar, um nach Hause telefonieren zu können. Die äußerst freundliche Deutsch sprechende Dame hinter dem Infoschalter
greift auf meine Frage, wie wir am besten zu unserer Vermietstation kommen, sofort zum Telefonhörer, und 10 Minuten später werden wir dann
mit unserem Gepäck von einem Mitarbeiter der Wohnmobilvermietung abgeholt. Wir sind offensichtlichen die Einzigen, die dort heute ein
Wohnmobil abholen.
Nach kurzer Fahrzeit erreichen wir die Station, deren Besitzerin eine Deutsche ist, was die Übergabeformalitäten natürlich vereinfacht. Als wir
unsere "Unterkunft auf Rädern" für die nächsten 14 Tage sehen, trifft uns fast der Schlag: Das ist ja ein kleines Haus, und dabei haben wir schon
den kleinsten Camper gebucht. Für amerikanische Verhältnisse scheint das Ungetüm allerdings "very small" zu sein. Die Einweisung durch
einen Englisch sprechenden Mitarbeiter ist äußerst ausführlich, gut verständlich und dauert ungefähr 1 1/2 Stunden. Dann überläßt er uns
unserem Schicksal. Uns ist es ziemlich mulmig zumute, wenn wir daran denken, daß wir mit diesem Ungetüm nun quer durch Anchorage
müssen. Horst ist inzwischen von einer bleiernen Müdigkeit überfallen worden. Er will erst mal ein paar Runden an der frischen Luft drehen,
während ich die Zeit nutze, um uns im Wohnmobil häuslich einzurichten. Bei seiner Rückkehr habe ich schon alles in die Schränke geräumt (der
Stauraum ist gewaltig), meine beiden Pakete mit dem glutenfreien Brot in das riesengroße separate Tiefkühlfach gestapelt, das Alkovenbett ist
bezogen und gegen 14 Uhr stürzen wir uns dann zunächst im Schritt-Tempo in den Großstadtverkehr von Anchorage, was besser geht, als wir
gedacht hatten. Den von der Vermieterin in einer Skizze eingezeichneten Supermarkt finden wir allerdings gar nicht, da wir uns nach unserem
Stadtplan restlos verfahren haben. Ich bin eigentlich eine gute Kartenleserin, aber mit diesem Plan stimmt irgend etwas nicht. Die Straßen
verlaufen teilweise nicht so, wie sie eingezeichnet sind und heißen hinter der nächsten Kurve dann manchmal auch noch anders. Lediglich die
nördliche Richtung stimmt zunächst einmal. Wir steuern den erstbesten Supermarkt an und machen einen Großeinkauf. Die Preise hier oben
sind gewaltig! Da kostet beispielsweise ein Paket Kaffee über 20 DM, ein 100g Paket Käse in Scheiben 8,-- DM usw. Und was die
Fischpreise angeht (die Alaskaner sitzen ja hier direkt an der Quelle), da wird es einem schier schwindelig. Die wollen für ein kleines Stück
geräucherten Lachs fast 30 DM haben! Als wir mit dem Einkaufswagen und den zahlreichen mit Lebensmitteln vollgepackten Plastiktüten nach
draußen kommen, ist unser Wohnmobil weg! Es dauert einige Sekunden, bis wir registriert haben, daß wir einen anderen Ausgang genommen
haben und unser Parkplatz auf der anderen Seite liegt, reicht aber, um das Adrenalin erst mal in schwindelerregende Höhen zu treiben. Aber
mittlerweile fordert der Jetlag seinen Tribut, und es wird Zeit, daß wir schleunigst einen Campground ansteuern und ein paar Stunden schlafen.
Schließlich gehen wir in Deutschland ja auch nicht nachts um 4 Uhr einkaufen (so spät ist es mittlerweile zuhause). Ich bin inzwischen unfähig,
überhaupt noch klar zu denken. Glücklicherweise sind wir gleich nach der ersten Ampelkreuzung auf dem aus der Stadt herausführenden
Glenn-Highway in Richtung Norden. Wir steuern gleich den ersten Campground an, der in der Nähe der Militärbasis Elmendorf liegt. Dort fliegen
fast pausenlos lärmende Düsenflugzeuge durch die Gegend, so daß wir hier heute bestimmt kein Auge zutun werden. Und dann wollen sie auch
noch 29 Dollar für den Platz haben! Horst fühlt sich noch fit genug, um noch 10 Meilen weiterzufahren, bis wir den idyllisch im Wald und an einem
Fluß gelegenen staatlichen Campground Eagle River erreichen, der 15 Dollar Gebühr kostet. Wir sind mittlerweile so müde, daß wir zwar die
drei Elche am Campgroundeingang wahrnehmen, aber überhaupt nicht mehr auf die Idee kommen, sie zu fotografieren oder zu filmen. Wir fallen
in unsere Betten und schlafen bei himmlischer Ruhe mitten im Wald von einer Minute zur anderen ein. Nachts höre ich einige Male, daß unsere
Heizung anspringt.
W E I T E R
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