Freitag 14.12.01
Heute ging es zurück ins Basislager, und wir waren früh auf, um zu frühstücken und das Camp wieder in dem Zustand zu verlassen, in dem wir es vorgefunden hatten. Wir packten unsere persönlichen Gegenstände in die Rucksäcke oder Reisetaschen, rollten die Schlafsäcke zusammen und verstauten alles in unseren Schlitten. Die Schlitten waren um einiges leichter als auf der Hinfahrt, da kein Proviant transportiert werden musste. Für zwei Mädels war auch heute die Tour zu Ende, während Gudrun und ich noch eine weitere Woche in Haines Junction vor uns hatten. Nach der ersten Woche kam ich zu der Überzeugung, dass es vollkommen ausreicht, mit 4-5 Hunden pro Schlitten auf Entdeckungsfahrt zu gehen. Natürlich hat jeder schon mal Gespanne gesehen mit 10 bis 12 Hunden davor. Der zeitliche Aufwand, bis man so ein Gespann täglich einmal komplett an- und abgeschirrt hat, geht dann von der Fahrzeit ab.
Zurück ging es wieder über den 37 Mile Lake. Das Eis auf dem See war doch griffiger als auf dem 57 Mile Lake, da sich hier über dem Eis eine gute Schicht Schnee befand und die Hunde somit mehr „Grip“ hatten, als auf purem Eis. Plötzlich kam der ganze Tross zum stehen, da Steve damit beschäftigt war, den Leithunden noch mal zu zeigen, wo „geradeaus“ ist! Anstatt längs über den See zu laufen, brachen die Leithunde Richtung Ufer aus. Steve musste also vorne weg laufen, um den Hunden die Richtung zu zeigen. Haben sie es kapiert , lässt man das Gespann an sich vorbei ziehen und springt wieder auf den Schlitten. Schlitten nicht verpassen! Das amüsante Manöver nahm einige Minuten in Anspruch, bis die Karawane sich wieder auf Kurs befand. Am Ende des Sees angekommen, schlugen wir einen anderen Weg ein, als den, auf dem wir hierher gekommen sind. Steve nahm wieder Kurs auf einen Berg, der diesmal zum Glück nicht so steile Anstiege enthielt. Vielleicht nahm ich das auch nur an; da ich meine eigene Ausrüstung an hatte, klappte es auch viel besser. Besonders, wenn es steil hoch ging, funktionierte das Pushen besser, in dem man nur mit einem Bein auf der Kufe steht, und mit dem anderen kräftig abdrückt, um die Hunde zu unterstützen. Wir reden hier von kurzen Anstiegen von 45 und mehr Grad. Die können einen ganz schön mürbe machen. Dieser Berg war wesentlich besser als der andere, da er auch gute Panoramablicke auf das tieferliegende Tal bot, weil die Baumzone öfters durchbrochen wurde. An diesen Stellen konnte ich dann schnell ein paar schöne Fotos machen. Die Mädels waren schon sauer wegen der Kameraprobleme und taten mir mittlerweile richtig Leid. Diese hochempfindlichen Geräte können bei diesen Temperaturen abschmieren, da hilft nur eine Art Thermoverpackung, um sie im Schlitten zu deponieren. Auf diesem Berg gelangen mir ein paar wirklich schöne Aufnahmen. Es boten sich romantische Ausblicke, die der Ausdrucksweise in den Bildern von Caspar David Friedrich entsprachen.
Spät am Nachmittag kamen wir zurück ins Basis Camp. Für die einen ging der Flieger zurück nach Hause, die anderen hatten noch eine Woche Skiurlaub in der Ecke von Whistler vor sich. Priska und Uta wurden, nachdem sie ihre Sachen gepackt hatten, nach Whitehorse gefahren, um dort im Hotel zu übernachten. Am Samstag morgen flogen sie dann nach Vancouver weiter. Gudrun und ich entschlossen uns, auch mit nach Whitehorse zu fahren, um unsere privaten Depots aufzupäppeln und mal wieder ein paar „Menschen“ zu sehen! Die Vororte von Whitehorse zeigten sich recht weihnachtlich, und viele Häuser waren schon mit bunten Lichterketten geschmückt. Angekommen im Hotel, wo die Mädels abgesetzt wurden, stürzte ich mich auf den Computer und schrieb eine Mail nach Hause! Ich glaube, man wartete schon sehnsüchtig auf eine Nachricht von mir. Doch dann... Nein! Timeout beim Bezahlcomputer, alles weg, wie die Zeit vergeht! 8 Minuten kamen mir doch erheblich länger vor! Noch mal ein paar Dollars und Email neu schreiben. Da wir eigentlich die ganze Woche kaum einige Minuten mal alleine für uns selbst sein konnten, seilte ich mich ab, und genoss das Flanieren in der Mainstreet von Whitehorse. In einem Restaurant schob ich mir ein Steak zwischen die Rippen. Puh das war nötig, mal endlich wieder ein großes Stück Fleisch auf dem Teller zu haben.
Als wir ins Camp zurückkamen, wartete dort schon das warme Wasser auf uns für die Dusche, schließlich hatten wir so ungefähr eine Woche kein Wasser mehr gesehen, und wenn, dann hauptsächlich nur in gefrorenem Zustand. Zum Duschen wurde ein etwa 10-15 Liter großer „Gummibeutel“ mit Wasser gefüllt. An einem Ende des Beutels war ein ca. 50 cm langer Schlauch mit einer Brause befestigt. Mit dieser „tragbaren Dusche“ bewaffnet, ging ich schnell ins Nachbargebäude, wo sich eine Duschkabine befand, und hängte das Ding an die Decke. Wer nun erwartet hat, dass die Blockhütte beheizt war, den muss ich leider enttäuschen. Ich fror mir also im wahrsten Sinne des Wortes den Arsch ab.... Also, Klamotten runter und durch! Na, der Grog hat sich jedenfalls gelohnt! Nur zum Verständnis: wir waren hier von Whitehorse 100 Km weit entfernt irgendwo, in der Einsamkeit, wo es keinen Strom gibt. Es gab zwar einen Warmwasserboiler, aber der hätte zum Warmhalten des Wassers mit einer unendlichen Energieverschwendung betrieben werden müssen, um die Rohre vor dem Zufrieren zu bewahren.
Samstag 15.12.01
Als ich am Morgen aufwachte und zum Frühstück ins Haupthaus wollte, sah ich einen der Jungs, die dort bei Sab aushalfen, wie er unter einem Wagen mit einem Brenner versuchte, die Ölwanne auf Temperatur zu bringen. Die Nacht musste wieder sehr kalt gewesen sein. Plötzlich wunderte ich mich, dass ich das morgendliche Hundegeheul überhaupt nicht wahrgenommen hatte bzw. daraufhin wachgeworden bin. Macht nichts, dachte ich, war das doch eine gute Ausrede, sich vor dem „Cleaning the Yard“ zu drücken. Heute sollten auch zwei neue Gäste kommen, die mit Gudrun und mir die Tour bei Haines Junction machen werden. Ein Kanadier und ein US Amerikaner mussten gegen 10 Uhr aus Whitehorse vom Airport abgeholt werden. Da heute nichts Besonderes angesagt war, außer der Wechsel nach Haines Junction, fuhren wir mit Mike nach Whitehorse, um die beiden Neuen abzuholen und um uns in der Stadt noch etwas herum zu treiben. Auch sie mussten bestimmt ins „Work World“, um hier und da noch fehlende Kleinigkeiten für die Tour mitzunehmen bzw. auch dem Liquoer-Store noch ihre Referenz zu erweisen. Der Alaska Hwy. forderte seine Opfer, denn auf dem Weg nach Whitehorse lagen etliche Fahrzeuge im Straßengraben im Schnee, die wir am Abend zuvor dort noch nicht gesehen hatten. Etwas merkwürdig war das schon, da der Highway gut geräumt schien, und wir jetzt auch etwa 100 Km/h fuhren. Außerdem hatte es in der Nacht auch nicht geschneit. 20 Km vor Whitehorse glaubte ich meinen Augen nicht zu trauen, was ich hier in der Einöde nun sah. Da joggte eine Frau tatsächlich den Alaska Hwy entlang. Das alleine ist ja noch nichts Ungewöhnliches, aber bei –30 Grad? Von Mike erfuhren wir, dass es sich um eine stadtbekannte Marathonläuferin handelte. Wer wohl ihre Gegnerin waren? Moschusochsen ? Eisbären??
Mike setzte mich an der Mainstreet in Whitehorse ab, und ich nahm noch mal die Gelegenheit wahr, für mich alleine zu sein. Treffpunkt war um 11 Uhr vor dem „Work World“. Auf der Tour selbst ist man nicht so alleine, wie man vielleicht denken mag; die gemeinsamen Tätigkeiten, die zu verrichten sind und die Enge, von der man im Zelt umgeben ist, ist vielleicht nicht Jedermanns Sache. Leute, die leicht zur Hyperventilation neigen, sollten sich schon überlegen, ob für sie so ein Vorhaben das richtige ist. Hier kann man sich schnell ins Gehege kommen, und es gibt kein Entrinnen, man muss miteinander auskommen, da man keine Möglichkeit hat, sich aus dem Weg zu gehen. Ich versteckte mich in einem Bücherladen und interessierte mich für topographische Karten, in der bestimmte Flüsse mit Kanus befahren werden können. Eine Kanutour wäre noch so eine Sache, die ich mal gerne machen würde. Langsam musste ich mich aufraffen, um zum vereinbarten Treffpunkt zu gelangen. Mike und die neuen Gäste schienen schon da zu sein, denn der Wagen stand direkt vor „Work World“, und zwar leer. Bestimmt werden sie noch in den Liquoer-Store gehen, und etwas Frostschutzmittel zu erstehen. Es war also noch etwas Zeit, um einen Kaffee zu trinken und etwas kurzweilig vor dem Geschäft mit Gudrun zu plaudern, die nun auch mit ein paar Tüten ankam. Nach einer weiteren halben Stunde waren wir nun alle komplett, und mit Patrick und John ging es zurück nach Blue Kennels, wo wir nur noch unser Gepäck aufnehmen wollten, und mit einem zweiten Wagen noch einige Hunde mitnahmen, da in Haines Junction im zweiten Camp noch nicht genügend Hunde für die gesamte Wintersaison waren. Die Rückfahrt nutzten wir, um uns gegenseitig kennen zu lernen, und Gudrun und ich plauderten über unsere erste Woche und die gewonnenen Eindrücke. Irgendwie war eine andere Stimmung mit drei Männern und einer Frau als umgekehrt, wobei ich nicht erklären kann, warum ich diesen Eindruck hatte, lustiger war es auf alle Fälle. Im Camp angekommen machten wir uns direkt daran, einige „frische“ Hunde auf den Wagen zu verladen, auf denen sich viele kleine Zwinger befanden. Unsere Hunde, die wir auf der Tour hatten, bekamen nun ihre verdiente Pause für eine Woche und erhielten zusätzlich noch ein riesiges Stück Rippchen als Belohnung, über das sie sich genüsslich hermachten. Mein letzter Dank galt den Hunden, die mich in der ersten Woche begleiteten, und auf ging es nach Haines Junction.
|
|